demnächst jährt sich der 100. Geburtstag des
Genossen Scheringer
Auszug aus der Arbeiter-Illustriertenzeitung A - I - Z / 1932 / Nr. 40:
Scheringer: Warum ich Nationalsozialist war und wie ich Kommunist wurde
Der junge Reichswehrleutnant Richard Scheringer wurde vor dem Reichsgericht zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt (...)
Scheringer wurde Kommunist - er sitzt noch heute hinter Gefängnismauern...
..in der ruhigen Abgeschlossenheit der Festung gingen dem ehemaligen Leutnant die Augen auf. Nach längeren Unterhaltungen miz Hitler und Goebbels, nach gründlicher Lektüre der marxistischen Lehren wurde er Kommunist. Und natürlich wurde er nicht freigelassen, als seine Strafzeit abgelaufen war. Man fand einen Grund, ihn festzuhalten: Er hatte mit früheren Kameraden korrespondiert. (...)
M.d.R. Scheringer blieb Sträfling und ging den langen, schweren Weg zum kämpfenden Proletariat. Diesen Weg hat er während seiner letzten Untersuchungshaft aufgezeichnet. Seine spannenden Erinnerungen führen uns zuerst ins besetzte Rheinland, wo er als Achtzehnjähriger mit der Politik in Berührung kam. Man steckte ihn ins Gefängnis, das er als Nationalist verließ. Er flüchtete nach Berlin, kam zur Schwarzen Reichswehr, erwachte schmerzlich aus seiner Hoffnung auf den Buchrucker - Putsch. Dann vertauschte er die Schwarze Reichswehr mit der legalen, wurde Rekrut in Ulm und nicht viel später Leutnant. Die Muffigkeit und Zopfigkeit des republikanischen Offizierkorps ist noch nirgends so treffend geschildert worden wie in Scheringers Erinnerungen. Er versuchte, Leben hineinzubringen. Die Armee soll Werkzeug der nationalen Befreiung werden. Er findet Mitstreiter. Sie organisieren Nazi-Zellen. Da kommt alles heraus.
Scheringer: Untersuchungshaft gemeinsam mit Wendt und Ludin.Leipziger Reichswehrprozess im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Festungshaft. Reise zu Hitler und Geobbels. Wir lernen den aufgeblasenen Nazi-Betrieb kennen.
Und vor allen Dingen lernen wir einen ganzen Kerl kennen, den Richard Scheringer, der immer für seine Überzeugung gradestand, auch im Angesicht des Nazi-Götzen Hitler und in den Fängen der Klassenjustiz.
Wir finden ihn ins Studium des Marxismus-Leninismus vertieft. Anstelle des Glaubens an Volksgemeinschaft und Führerstärke tritt das Wissen um die Klassenschichtung und um die Notwendigkeit des Kampfes gegen Ausbeutung und Unterdrückung.
Nationale Befreiung? Sie kann nur mit der sozialen Befreiung gleichzeitig errungen werden.
Das hat Richard Scheringer eingesehen. Er hat es aufgeschrieben. Wir beginnen mit dem Abdruck seiner fesselnden Erinnerungen in der nächsten Nummer der A_I_Z. Sagt es weiter! Sagt es vor allen Dingen denen, die einst Scheringers Weggefährten waren! A L L E müssen ihn hören.