Aufruf der Zentrale der KPD

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet!

Mitte Januar 1919


An die deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen!

An die revolutionären Soldaten Deutschlands!

Die Regierung Eberts und Scheidemanns hat Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg meucheln lassen. Die Berichte, die sie von ihrer Ermordung verbreiten läßt, sind Lug und Trug. Karl Liebknecht wurde nicht beim Fluchtversuch niedergeschossen, aus dem einfachen Grunde, weil er niemals die Absicht hatte zu fliehen... Rosa Luxemburg soll von einem Unbekannten im Auto erschossen worden sein, erzählt der Lügenbericht der Regierung. Aber niemand wird es glauben.

Vor dem Antlitz des deutschen Proletariats, vor dem Antlitz der internationalen Arbeiterklasse werfen wir der Regierung Eberts und Scheidemanns die Anklage ins Gesicht...

Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands! Revolutionäre Soldaten! Unsere Worte sind zu schwach, um angesichts der frischen Leichen unserer großen Vorkämpfer der proletarischen Revolution die Gefühle auszudrücken, die euer und unser Herz erfüllen, die euer und unser Herz zerreißen. Weder Klage noch Fluch ist hier notwendig. Die Toten werden für immer im Herzen des deutschen, im Herzen des internationalen Proletariats leben als die, die im Augenblick, wo die deutsche Sozialdemokratie die deutschen Arbeiter an den Kriegsmoloch verkaufte, mutig die Fahne der proletarischen Erhebung hißten und unbekümmert im Gefängnis und Zuchthaus die revolutionären Arbeiter zum Kampfe um die Befreiung aus den Klauen des menschenvernichtenden Kapitalismus riefen. Für ewig werden in den Büchern der Internationale ihre Namen bleiben als die derer, die im Moment der Selbstzerfleischung des Weltproletariats den Kampf dem Weltkapital angesagt haben mit dem alten Schlachtruf: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Jetzt heißt es nicht wehklagen, nicht blindlings den Mord unserer Vorkämpfer an den Mördern persönlich rächen zu wollen. Jetzt heißt es, den blutenden Leichen zu schwören, daß wir ihr Werk zu Ende führen werden, daß wir die Fahne der proletarischen Revolution an der Zinne der Zitadelle des Kapitalismus, auf dem Hause der verräterischen sozialpatriotischen Regierung hissen werden. Es steht uns noch ein langer Kampf bevor...

Arbeiter, der Berliner Bürgerkrieg vom 6.-12. Januar, den die Scheidemann-Regierung provoziert hat, er hat mit einer Niederlage des Proletariats geendet. Es ist offensichtlich, daß noch ein großer Teil der Arbeiterklasse sich von dem Einfluß der sozialpatriotischen Verräter nicht befreit hat. Nur in einem kleinen Teile des deutschen Reiches haben die Arbeiter es verstanden, die Arbeiter- und Soldatenräte in Trutzburgen gegen die Regierung der Kapitalslakaien zu verwandeln. Jedes vorzeitige bewaffnete Losschlagen wird der Regierung der Ebert und Scheidemann nur die Möglichkeit geben, die Vorhut des Proletariats zu schlagen, bevor ihr das Gros zu Hilfe eilen kann ...

Arbeiter und Arbeiterinnen! Revolutionäre Soldaten Deutschlands! Geht von Fabrik zu Fabrik, von Werkstatt zu Werkstatt, weiset hin auf die Leichname Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs und fraget: Die, die uns jahrzehntelang ausgebeutet und unterdrückt haben, die Fabrikanten, Junker, Bankiers und Kaufherrn, sie leben lustig unter dem Schutz der Scheidemann-Ebert-Regierung, verprassen euer Gut, das eure Hände erzeugt haben, aber Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die ein Menschenalter für die Befreiung des Proletariats gekämpft und gelitten haben, sie liegen tot, ermordet durch Schergen der Scheidemann- und Ebert-Regierung. Wollt ihr es dulden?

Die Bethmann, die Jagow, die uns in den Krieg hineingestoßen haben, die Ludendorff, Hindenburg und Falkenhayn, die uns in diesem Kriege weißbluten ließen, sie leben frei, sie können ins Ausland reisen mit Erlaubnis der Ebert-Scheidemann-Regierung. Ihnen, den Hindenburg, Maercker, Lüttwitz, übergibt die Ebert-Scheidemann-Regierung die Entscheidung über euer Leben und Tod. Rosa Luxemburg aber und Karl Liebknecht, die euch gegen den Moloch Krieg mit ihren Leibern gedeckt haben, sie liegen ermordet von den Schergen der Ebert-Scheidemann-Regierung. Wollt ihr das dulden?

Wenn sich dagegen die proletarischen Gefühle der Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands aufbäumen, dann saget ihnen: es gut zu kämpfen! Am Tage, wo das, was sterblich war an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, der Erde zurückerstattet wird, darf kein klassenbewußter Proletarier in der Werkstatt bleiben und für das Kapital schuften. Jeder Proletarier, in dessen Adern noch Blut fließt, muß an diesem Tage heraus auf die Straße; ohne Waffen, friedlich sollen die proletarischen Massen die Straßen durchziehen, und aus ihren Kehlen soll der Ruf erschallen:

Nieder mit der Regierung Ebert-Scheidemann, die die Kapitalisten schützt und die Vorkämpfer des Proletariats mordet!

Nieder mit ihren Handlangern, den kaiserlichen Generälen und Offizieren! Nieder mit der weißen Garde ihrer Söldlinge!

Schluß mit der Bewaffnung der Bourgeoisie!

Fort mit den Arbeiter- und Soldatenräten, die diese Regierung des Mordens an Proletariern unterstützen!

Neuwahlen aller Arbeiter- und Soldatenräte!

Nieder mit der Nationalversammlung der Bourgeoisie und ihrer sozialpatriotischen Lakaien!

Die gesamte Macht den proletarischen klassenbewußten Arbeiter- und Soldatenräten!

Mit Bannern, die diese Schlachtrufe in die Welt schreien, bedeckt die Leichname Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, und wenn die Erde ihre Leichname bedeckt hat, dann traget diese Schlachtrufe, die die ihrigen waren, in eure Werkstätten und Mietskasernen, und sie sollen nicht verstummen, bis die feigen Mörder gestürzt sind, bis ihre politischen Leichname, auf den Kehrichthaufen der Geschichte geworfen, vermodern und verfaulen, bis die Befreiung des Proletariats vollbracht ist. Dann werden wir, ein freies Volk auf freier Erde, unsern gemeuchelten Vorkämpfern ein Denkmal bauen, höher und unzerstörbarer als die Pyramiden Ägyptens: die sozialistische Räterepublik Deutschlands!

Die Zentrale der

Kommunistischen Partei Deutschlands

(Spartakusbund)

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